Völkermord: Verbrechen, Strafe, Gerechtigkeit

27.06.2012 10:00

Wie kann eine Gesellschaft nach einem Völkermord weiterexistieren? Wie können Überlebende mit Tätern in der Nachbarschaft weiterleben? Wie kann eine juristische Aufarbeitung zum Aufbau einer menschenrechtlich fundierten Zivilgesellschaft beitragen?

Gesprächsrunde mit der ruandischen Botschafterin am 27. Juni 2012 im Erinnerungsort Topf & Söhne

Diesen Fragen widmet sich eine Podiumsdiskussion mit der ruandischen Botschafterin Christine Nkulikiyinka im Erinnerungsort Topf & Söhne am 27. Juni 2012.  Wie schon bei dem eindrücklichen Besuch der Botschafterin vor einem Jahr ist die Veranstaltung  Teil des Gedenkens, das alljährlich an die Tage des  Völkermords vom 7. April bis 4. Juli 1994 in Ruanda erinnert. In diesen hundert Tagen wurden fast eine Million Menschen ermordet. Die Täter gehörten zur Bevölkerungsgruppe der Hutu, die Opfer zur Tutsi-Minderheit oder sie waren Hutu, die sich mit den Tutsi verständigen wollten. In dem kleinen Land wohnen die Überlebenden oftmals in nächster Nachbarschaft mit den Tätern.

Die Gesprächsrunde vor einem Jahr bot die Möglichkeit zur Information und Diskussion über die geschichtlichen Hintergründe des organisierten Genozids.

Nun geht es um die Kernfragen nach Strafe und Gerechtigkeit und damit um die Zukunft der  Gesellschaft nach einem solchen Verbrechen. Für den von der UN eingesetzten Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda und für die nationalen ruandischen Gerichte war es nach dem Verbrechen unmöglich, die große Zahl an mutmaßlichen Tätern zu verurteilen. Deshalb beschloss die Regierung 2001, die "Gacaca-Gerichte", eine traditionelle Gerichtsbarkeit auf dem Land, wieder zu beleben und ihnen eine feste, rechtlich verankerte Form zu geben. Sie wurden 2011 abgeschlossen. Die Ergebnisse und ihre Bewertung werden an diesem Thema sein.

Neben der Botschafterin werden Experten und Kenner der Verhältnisse in Ruanda die Podiumsdiskussion bestreiten:

- Prof. Dr. Bernd-Dieter Meier ist Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie der Juristischen Fakultät der Universität Hannover und Experte für "restorative justice" im internationalen Vergleich. 

- Frank Mischo vom Kindernothilfe e.V. berichtet über seine Arbeit in Ruanda nach dem Völkermord. Er betreute ruandische Flüchtlingskinder und Selbsthilfegruppen, in denen 100.000e Jugendliche unterstützt von der Kindernothilfe das Land wieder aufbauten. 

- Winfred Wameyo, Studentin an der Willy Brandt School of Public Policy in Erfurt, lebte nach dem Völkermord einige Jahre in Ruanda und engagierte sich dort für das Gedenken an die Opfer.

Es moderiert Dr. Martin Borowsky, Richter am Landgericht Erfurt und Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.

Die Gesprächsrunde ist eine Begleitveranstaltung der Sonderausstellung "Un-er-setz-bar. Begegnung mit Überlebenden", die vom 1. Juni 2012 bis 27. Januar 2013 im Erinnerungsort präsentiert wird. Mit der Veranstaltung über Ruanda richtet der  Erinnerungsort die Aufmerksamkeit auf ein Geschehen außerhalb Europas, in dem sich ähnliche Fragen stellen wie nach dem Holocaust. Warum wurde die Grundsolidarität des Menschen mit dem Menschen zerstört? Wie kann den Überlebenden Gehör verschafft werden? Wie kann Strafe zu Gerechtigkeit und einer menschlichen Zukunft beitragen? 

Veranstaltungsort: Erinnerungsort Topf & Söhne, Sorbenweg 7.

Beginn: 19.30 Uhr. Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen.

Veranstalter:

Erinnerungsort Topf & Söhne - Die Ofenbauer von Auschwitz

Förderkreis Erinnerungsort Topf & Söhne e.V.

in Kooperation mit

Botschaft der Republik Ruanda in der Bundesrepublik Deutschland
Kindernothilfe e.V.