"Dass es diesen Ort gibt, ist für mich wie ein Wunder."

25.03.2012 10:00

Vom 24. bis 26. März tagte die hochkarätig besetzte Lenkungsgruppe des Internationalen Archivrates in Weimar.

Internationaler Archivrat im Erinnerungsort Topf & Söhne

12 leitende Archivare aus Frankreich, Großbritannien, Irland, Israel, Kanada, den Niederlanden, Schweden, Spanien und den USA verabschiedeten eine weltweite Erklärung, in der sie die Bedeutung der Archive als Gedächtnis der Gesellschaft betonen und den Schutz der Akten sowie den freien Zugang fordern. 

Das Begleitprogramm, das Dr. Bernhard Post als Direktor des Thüringischen Hauptstaatsarchives organisierte, setzte bewusst auf Kontraste. Einem Besuch auf der Wartburg folgte eine Führung durch die Gedenkstätte Buchenwald. Nach einem Gang durch das mittelalterliche Erfurt und einer Besichtigung der Alten Synagoge mit ihrem bedeutenden Gold- und Silberfund wurde der erst vor einem Jahr eröffnete Erinnerungsort Topf & Söhne besucht. Keinem der ausländischen Gäste war weltweit ein vergleichbarer Lernort bekannt. 

Michal Henkin, die Leiterin des Stadtarchivs Haifa/Israel (Foto: erste Reihe, erste von links), war vor Jahren schon einmal zu Gast in Erfurt. Damals sei es unvorstellbar gewesen, dass auf dem ehemaligen Firmengelände ein Erinnerungsort entstehen könnte. Umso beeindruckender war es für sie, Haus und Ausstellung nun zu sehen. "Dass es diesen Ort gibt, ist für mich wie ein Wunder," so die Archivarin aus der Partnerstadt Erfurts. Sie bedankte sich für den wichtigen Beitrag, den die Stadt damit zur Geschichtsaufarbeitung und für die Wahrung der Menschenrechte leiste. 

Beim Besuch im Erinnerungsort entstand unter den Archivaren eine angeregte Diskussion über das Verhältnis von Industrie und Ethik, sei es hinsichtlich der Produktion von Waffen und insbesondere von Minen, beim Anbau spezieller Pflanzen zur Benzingewinnung zu Lasten der Ernährung in der "Dritten Welt" oder bei der Produktion genmanipulierter Getreidesorten. Dass Unternehmensethik auch verlange, die Firmenarchive als wichtige Grundlage für einen verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Geschichte zu bewahren, war einhellige Meinung. Gerade der Erinnerungsort zeige mit seiner Ausstellung beispielhaft, wie unverzichtbar die Firmenunterlagen aus dem Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar sind, um die Beteiligung des Unternehmens am Holocaust zu belegen. 

Als Leiter des Archivs der französischen Staatsbahn SNCF erinnerte Henri Zuber (Foto: erste Reihe, dritter von links) an die mangelnde Aufarbeitung der Beteiligung der Bahn an den Deportationen der Juden in Frankreich. Spontan beschloss man, die Möglichkeit zur Durchführung einer internationalen Tagung zum Thema Industrie und Ethik in Erfurter Erinnerungsort zu prüfen.