Dankesworte von Heino Falcke zur Jochen-Bock-Preisverleihung am 28. Juni 2019

28.06.2019 18:30

"Danke für den Jochen-Bock-Preis, der mich alten Neunzigjährigen daran erinnert, was heute dran ist und weitergehen muss."

Dankesrede Heino Falck

Foto: Preisträger Heino Falcke Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

Ich danke für die große Ehrung, die mir mit dem Jochen-Bock-Preis widerfahren ist. Sie hat mich freilich, muss ich gestehen, ziemlich überrascht. Denn ich habe ja für die Sache, um die es in dieser Erinnerungsstätte geht nichts getan, was mit den mutigen Taten und dem Engagement meiner beiden Mitausgezeichneten auch nur annähernd vergleichbar wäre. So war ich sehr darauf gespannt, wie meine Laudatorin Sie und auch mich wohl davon überzeugen würde, dass ich mit einigem Recht in die Reihe der Jochen-Bock-Preis-Träger aufgenommen wurde. Ihr Beifall für die Laudatio, liebe Zuhörer ... vielleicht hat sie es ja geschafft!

Frau Braband, ich danke Ihnen für Ihre wunderbare Rede.

Der Förderkreis und die Martin-Niemöller-Stiftung haben sich zusammengetan, um diese dritte Preisverleihung zu realisieren. Ihnen beiden gilt mein großer Dank. Ich möchte diesen Dank aber noch um zweierlei erweitern, was mir sehr am Herzen liegt.

Ich bin immer neu ganz schlicht dankbar dafür, dass es diesen Erinnerungsort Topf & Söhne überhaupt gibt. Er ist längst zu einem festen Bestandteil der Erinnerungskultur Erfurts geworden. Seine Errichtung aus der alten Industriebrache jedoch war alles andere als selbstverständlich. Frau Dr. Schüle hat ihn „eine erkämpfte Erinnerung“ genannt. Sie hat auf die zivilgesellschaftlichen Initiativen hingewiesen, die das Ganze gegen viele Widerstände auf den Weg gebracht haben.

Heute wird uns auf beklemmende Weise klargemacht, wie dringend wir diesen Erinnerungsort brauchen. Rechtsradikalismus, Antisemitismus und Neonazismus drängen mit Gewalt nach vorn. Es gab einen politischen Mord. Neu müssen wir die Warnung sehen und hören, die von diesem Erinnerungsort ausgeht! Wehrt den Anfängen!

Aber es sind ganz spezifische Anfänge, die dieser Erinnerungsort zeigt und die uns heute betreffen. Dieser Ort zeigt die „Banalität des Bösen“, wie es Hannah Arendt nannte. Banale Alltagspraxis an Zeichentischen, was soll daran Böses sein, normaler Geschäftsverkehr „Stets gern für Sie beschäftigt“, die SS als korrekt bezahlender Kunde – das Böse von Millionenmorden bahnt sich im banalen Alltagsbetrieb rechtschaffener Bürger an.

Ich denke, Sie verstehen, wovon ich rede. Es ist heute in aller Munde, aber von viel zu wenigen verstanden, verinnerlicht und realisiert. Arbeitswelt und Lebensstil, Produktion und Konsum ohne Verantwortung für die Zukunftsfolgen, das kann zur Banalität werden, in der unerkannt die Zukunft des Lebens aufs Spiel gesetzt wird.

Wie gut, dass wir diesen Erinnerungsort haben, der uns zeigt, wie das vor einigen Jahrzehnten schon einmal geschehen ist.

Mein zweiter Dank gilt einem Menschen. Von ihm war schon die Rede. Er ist nicht mehr unter uns, aber mit dem Jochen-Bock-Preis ist er untrennbar verbunden. Sie wissen, wen ich meine: Karl Metzner.

Er gehörte zu den fünf Handelsschülern um Jochen Bock, die mitten im Zweiten Weltkrieg gegen den Krieg und den Nazistaat öffentlich protestierten. Wahnsinn! Sie wurden eingesperrt in der Andreasstraße. Sie hatten die Nerven, mit Hilfe der Gefängnisbibliothek ihre Haft zur Bildungsklausur zu machen. Karl nahm aus dem Gefängnis ein Zitat von Theodor Storm mit:

„Wenn der Pöbel aller Sorten/ tanzet um die goldenen Kälber/ halte fest: Du hast vom Leben/ nur dich selber.“ Er hat sein Selbst festgehalten, nicht in dem Sinn: „Halt Dich raus!“ sondern in dem Sinn: „Setz dich ein!“ Wo immer es im „Kalten Krieg“ um den Frieden ging, um unterdrückte Menschen, um eine gerechtere Gesellschaft – der kleine Pfarrer Metzner war dabei.

Der Handelsschüler Karl Metzner hat Nachfolger gefunden, die Schüler, die am Friday for Future für ihre Zukunft und die Lebensbedingungen kommender Generationen auf die Straße gehen.

Danke für den Jochen-Bock-Preis, der mich alten Neunzigjährigen daran erinnert, was heute dran ist und weitergehen muss.