Wortmeldung von Hartmut Topf zu "10 Jahre Erinnerungsort Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz"

25.01.2021 10:00

"Es ging nun um die Erinnerung daran, wie eine angesehene, erfolgreiche Firma und eine respektierte Familie aus der Mitte der Gesellschaft zu effektiven Helfern und Hoflieferanten des staatlichen Massenmordes wurden."

10 Jahre Erinnerungsort Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz

Ein älterer Mann mit Bart steht vor einer Ausstellungstafel. In den Händen hält er eine Mappe.
Foto: © Elisabeth Stickforth

Als Kind war ich stolz darauf, den Namen der angesehenen Gründerfamilie Topf zu tragen. Ich kannte die Lebensläufe der Gründergeneration, meines Urgroßvaters und meines Großvaters, der meines Großonkels blieb mir unbekannt. Ab 1904 gingen die beiden Brüder getrennte Wege, mein Großvater wandte sich wieder seinem geliebten Obstbau zu, war Stadtverordneter und Freimaurer, hatte neun Kinder, deren jüngstes mein Vater war. 1914 starben die zwei Brüder aus der Gründergeneration.

Die Firma Topf & Söhne blieb im Besitz der Erben meines Großonkels. Es waren neben der Witwe drei Kinder, die Söhne wurden in den 30er Jahren Besitzer und Chefs der Firma, die Tochter blieb stille Teilhaberin und wanderte später aus.

Zweifelhaft wurde mein kindlicher Familienstolz durch die Wochenschaubilder der Nachkriegszeit, in denen Leichenberge und die Krematorien in befreiten Konzentrationslagern gezeigt wurden, auf denen das Firmenzeichen den Namen Topf trug.

Waren das meine Verwandten? Unsere Familienzweige waren einander längst entfremdet, ich hatte die Fabrik nie besucht und es gab keine Verwandten, die ich hätte fragen können. Meine Spurensuche blieb lange Privatsache. Erst 1993, nach dem Erscheinen des Buches "Les Crématoires d'Auschwitz" von Jean-Claude Pressac (dt. "Die Krematorien von Auschwitz", 1994) wurde das Thema wieder aktuell. Und als 1994 von Verwandten der Erben ein Restitutionsanspruch bekannt wurde, meldete ich mich zu Wort. Die Diskussion begann damals im Europäischen Kulturzentrum Haus Dacheröden und sollte Folgen haben. Es ging nun um die Erinnerung daran, wie eine angesehene, erfolgreiche Firma und eine respektierte Familie aus der Mitte der Gesellschaft zu effektiven Helfern und Hoflieferanten des staatlichen Massenmordes wurden.

Aus den ersten Gesprächen mit Zeitzeugen und Wissenschaftlern entstand ein Netzwerk, an dem das Bildungswerk des DGB, die Heinrich Böll Stiftung und Kirchenkreise beteiligt waren. Der Ort der Täter in der Mitte der Gesellschaft sollte erkennbar markiert werden, auch in der Industriebrache nach den Wendejahren. Erst als Bund und Land die Mittel zur Erforschung und Dokumentation des Themas "Topf & Söhne, Techniker der Endlösung" bewilligten, konnte Dr. Annegret Schüle mit einem Team der Gedenkstätte Buchenwald solide Grundlagen und ein pädagogisches Konzept für den Lernort schaffen, der nun schon 10 Jahre vorbildliche Bildungsarbeit leistet, um Lehren aus der Geschichte für Probleme und Herausforderungen der Gegenwart zu ziehen, gegen Geschichtsklitterung, neuen und alten Rassismus zu wirken.

Allen, die an dieser Entwicklung seit 1994 sehr engagiert mitgewirkt haben, und allen, die an diesem Lernort seit 10 Jahren mit Hingabe arbeiten, bin ich dankbar.

Berlin, 22.01.2021

Hartmut Topf