Sea Lavender – Or the Euphoria of Being
Fotoausstellung zum Tanztheater mit Éva Pusztai und Emese Cuhorka Fotografien von Csaba Mészáros
Éva Pusztai wurde am 22. Oktober 1925 in Debrecen in Ostungarn geboren. Ihre Eltern Irma und Dezső Fahidi entstammten großen jüdischen Familien. Der Vater betrieb mit seinem Bruder eine Holzhandlung. 1933 wurde das langersehnte Schwesterchen Gilike geboren. Am 19. März 1944 besetzte die deutsche Wehrmacht Ungarn. Am 21. März wurde das Haus der Fahidis von einem deutschen Major beschlagnahmt, am 29. April wurde die Familie ins Ghetto verschleppt. Die Deportation der Familie in das Vernichtungslager Auschwitz- Birkenau begann am 27. Juni 1944. In acht Wochen, vom 15. Mai bis 9. Juli 1944, wurden unter Leitung von Adolf Eichmann und organisiert von der ungarischen Polizei 438.000 ungarische Juden nach Auschwitz-Birkenau deportiert.
Fast alle wurden sofort nach ihrer Ankunft im Gas ermordet und in den Öfen von Topf & Söhne oder – weil die Kapazität der Öfen nicht ausreichte – in offenen Gruben verbrannt. Darunter waren die Eltern, die Schwester und fast alle anderen Verwandten von Éva Fahidi, insgesamt 49 Angehörige ihrer Familie.
59 Jahre nach ihrer Deportation besuchte sie 2003 erstmals die Gedenkstätte Auschwitz. Erst danach brach sie ihr Schweigen und berichtet seitdem bei Begegnungen überall auf der Welt von ihren Erinnerungen an den Holocaust. Éva Pusztai ist dem Erinnerungsort Topf & Söhne, den sie seit seiner Eröffnung am 27. Januar 2011 mehrfach besucht hat, sehr verbunden:
Vom ersten Moment an, wie ich das erste Mal in den Erinnerungsort Topf & Söhne gekommen bin, habe ich das Gefühl gehabt, ich bin hier zu Hause. Etwas wird hier getan, was ich tun will. Es wird so getan, wie ich darüber reden will.
Tanztheater mit "The Symptoms"
Am 13. Oktober 2015, wenige Tage vor ihrem 90. Geburtstag, war Éva Pusztai in Budapest zum ersten Mal auf der Bühne zu erleben. Sie sagt darüber:
Meine ersten Erinnerungen als Dreijährige gehen zum Tanzen zurück. Ich tanze vor einem dreiteiligen Spiegel, Camille Saint-Saëns wird gespielt. Meine Mutti lobt mich, wie geschickt ich bin. Seit 2004 rede ich meinen Holocaust aus mir heraus. Täte ich es nicht, wäre ich im Irrenhaus. Mit dem Tanz kann man sich ganz genau ausdrücken. Eine moderne Tanzgruppe hat mich entdeckt und adoptiert. Wir wollen etwas Haltbares und Denkwürdiges schaffen – ich hoffe, es wird uns gelingen.
Das Budapester Projekt "The Symptoms" um die Tänzerin und Choreografin Réka Szabó steht seit 2002 für kluge, berührende und humorvolle Collagen, die Tanz, Bewegung und Lesung verbinden und auf Festivals in Europa und den USA auftreten. Die Gruppe hat ihr Stück über Évas Leben "Sea Lavender" genannt, der ungarische Name ist Sóvirág, wörtlich Salzblume. Der ungarische Steppenschleier-Strandflieder ist eine sauer-duftende Blume, die auf den Steppen um Debrecen wächst. Wenn sie blüht, ist das ganze Feld wie in eine große lila Decke eingehüllt. In dem Tanzstück erzählt Éva von der Pflanze als eine ihrer ersten Kindheitserinnerungen. Sie wuchs auf dem Hof, auf dem Éva ihre Sommer verbrachte.