Thüringische Landeszeitung: "Integration ist keine Garantie"

09.11.2013 10:00

Wanderausstellung "Un-er-setz-bar" zu Gast in der Gedenkstätte Buchenwald

von Christiane Weber

Weimar. "Integration ist wichtig. Aber das ist immer noch keine Garantie, dass die Gesellschaft sich anständig benimmt, wenn der Fremde sich integriert": Diese Erfahrung machte Reinhard Schramm, 1944 in Weißenfels geboren, dessen Schicksal Teil der am Samstag in der Gedenkstätte Buchenwald eröffneten Ausstellung "Un-er-setz-bar" ist. Die vom Erinnerungsort Topf & Söhne, Erfurt, erarbeitete Wanderausstellung gewährt eine Begegnung mit Überlebenden. "Das Zeugnis der letzten Überlebenden der nationalsozialistischen Vernichtung birgt eine große Chance", unterstrich Annegret Schüle, Leiterin des Erinnerungsortes Topf & Söhne. "Ihre Botschaft – die Grundsolidarität des Menschen mit dem Menschen – ist die Substanz für eine weltoffene, menschliche Zukunft."

Die Präsentation ist fünf Überlebenden der nationalsozialistischen Vernichtung und ihren Familien gewidmet: Aufgezeichnet wurden die erschütternden Erinnerungen und Erfahrungen von Esther Bejarano, 1924 geboren, Günter Pappenheim (1925 geboren), Éva Pusztai, Jahrgang 1925, Waltraud Reinhardt, Jahrgang 1936, und Reinhard Schramm. Ihr Leben bezeugt verschiedene Dimensionen der nationalsozialistischen Verfolgung, des Widerstandes und der Rettung. Eigens für die Ausstellung geführte Filminterviews, Dokumente, Fotos und Gegenstände berichten von der Kindheit, den Lagererfahrungen und dem Schicksal der Familien. Als "unersetzbar" empfindet die Historikerin Annegret Schüle die Begegnung mit den Menschen, die den Holocaust zwar überlebten, aber für immer traumatisiert sind. Für manche von ihnen waren die Gespräche die erste Reflexion über das Erlebte. 

Für Professor Volkhard Knigge, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, ist die Ausstellung auch ein Weg mit "unserer Fassungslosigkeit umzugehen" und "das Bewusstsein zu schärfen", um neu aufflammenden Antisemitismus entgegenzutreten. "Unser Respekt gebührt den Überlebenden, die Zeugnis ablegen, um ihre Erfahrungen mit der Öffentlichkeit zu teilen. Aus den Erfahrungen ist ein Vermächtnis geworden", sagte Annegret Schüle. 

Sie verwies darauf, dass es für Schulklassen die Möglichkeit gibt, in und mit der Ausstellung zu arbeiten: Für pädagogische Projekte stehen fünf Arbeitsblätter zur Verfügung, die die selbstständige Auseinandersetzung mit den Biographien und der Botschaft der Überlebenden ermöglichen. Kurt Pappenheim (86) war elf Jahre alt, als in Deutschland die Synagogen brannten. In Schmalkalden geboren, hat er es sich zur Aufgabe gemacht, die Erinnerung an die jüdischen Mitbürger seiner Heimatstadt zu bewahren. 41 Jahre habe er als Lehrer gearbeitet und in der Schule immer auch als Zeitzeuge gesprochen. Mit großer Sorge beobachte er die Aktivitäten von Neonazis und forderte dazu, Rechtsextremismus entschieden entgegenzutreten. 

Bis 19. Januar geöffnet, Di – So 10 – 16 Uhr

Foto: Mit Reinhart Schlamm (im Bild) und Kurt Pappenheim konnte Annegret Schüle, die Leiterin des Erinnerungsortes Topf & Söhne, zur Vernissage zwei Zeitzeugen begrüßen.