Virtuelles Kondolenzbuch für Éva Fahidi-Pusztai

Éva Fahidi-Pusztai überlebte als junge Frau das Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau und das Buchenwald-Außenlager Münchmühle. 49 Verwandte, darunter ihre Eltern und ihre elfjährige Schwester, wurden in der Shoah ermordet.
Als Zeitzeugin aus eigenem Erleben von den nationalsozialistischen Menschheitsverbrechen zu berichten, wurde ihr in den letzten Lebensjahrzehnten zu einem tiefen Bedürfnis.
"Einmal werden wir nicht mehr da sein und dort bei diesen Erinnerungsorten wird man die Wahrheit erfahren können", formulierte sie ihren Auftrag an den Erinnerungsort Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz, mit dem sie eng verbunden war.
Wir trauern um eine kluge und herzenswarme Botschafterin der Menschlichkeit, die nicht müde wurde, vor Nationalsozialismus und Menschenfeindlichkeit zu warnen. Auch wenn sie von uns gegangen ist, ihre starke, mahnende Stimme wird bleiben und uns an ihr Vermächtnis erinnern!
Um Ihre Anteilnahme zu bekunden und Erinnerungen zu teilen, wurde dieses Kondolenzbuch eingerichtet. Einträge können per E-Mail an kondolenz@erfurt.de gesandt werden.
Ihre Kondolenz wird mit dem von Ihnen eingetragenen Namen - in der Regel innerhalb von ein bis zwei Werktagen - auf dieser Seite veröffentlicht.
Virtuelles Kondolenzbuch
Die Landeshauptstadt Erfurt verliert mit Éva Fahidi-Pusztai eine Persönlichkeit, der die Erinnerungskultur in dieser Stadt viel zu verdanken hat. Mit ihrem Zeugnis berührte sie viele Erfurterinnen und Erfurter, insbesondere junge Menschen, in persönlichen Begegnungen am Erinnerungsort Topf & Söhne. Die Stimme dieser engagierten Kämpferin für Demokratie und Menschenrechte wird sehr fehlen.
Andreas Bausewein
Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Erfurt
Liebe Éva, du hast dem Erinnerungsort Topf & Söhne und seinen Besucherinnen und Besuchern ein großes Geschenk gemacht, indem du unsere Bildungs- und Vermittlungsarbeit geschätzt und mit großem Engagement unterstützt hast. Deine Bereitschaft, deine Geschichte in Ausstellungen zu erzählen, die Videointerviews und Audioaufnahmen mit dir, die Buchspenden aus deiner privaten Bibliothek und die vielen persönlichen Begegnungen werden für immer den Erinnerungsort Topf & Söhne und seine Arbeit bereichern und stärken. Auf dem damaligen Firmengelände von Topf & Söhne, wo heute im Erinnerungsort die historische Aufklärung im Zentrum steht, haben sich seinerzeit Erfurter Unternehmer und Techniker an jenen nationalsozialistischen Verbrechen beteiligt, die dir deine ganze Familie nahmen. Dir ist es gelungen, mit deinem Trauma zu leben, deine Persönlichkeit nicht vom Hass auf die Täter und Mittäter bestimmen zu lassen, sondern dich mit großer Weisheit und Herzenswärme für Menschenliebe und gegen Menschenfeindlichkeit einzusetzen. Jede Begegnung mit dir war großartig. Dein Vermächtnis ist unser Auftrag. Wir werden dich nie vergessen.
PD Dr. Annegret Schüle
Oberkuratorin am Erinnerungsort Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz
Der Tod der Zeitzeugin und langjährigen Freundin des Erinnerungsortes Topf&Söhne ist auch mir ein schmerzlicher Verlust. Unsere Begegnungen waren immer eine Ermutigung zu konstruktiver Arbeit für Demokratie und Menschenwürde. Ich bin Éva Fahidi-Pusztai dankbar und behalte sie als Vorbild in guter Erinnerung.
Hartmut Topf
Ich lernte sie kennen als kleine zierliche Person in schwarz-weiß: weiße Bluse mit schwarzen Punkten, schwarze Hose, weißes Tüchlein um den Hals, lächelnd unter ihrem prächtigen, weißen Haar. So ging sie leichtfüßig durch den Mittelgang nach vorn, um uns erwartungsvollen Menschen von ihrem neuen Buch zu erzählen. Das war im Erfurter Erinnerungsort Topf und Söhne.
Ich lernte sie kennen, allein auf einer schwarzen Bühne stehend, gerahmt von schwarzen Wänden. Ihre kleine Gestalt mit den weißen Haaren. Die weißen Leggins, das weiße T-Shirt, nackte Füße. Sonst nichts. Und ich habe noch immer ihre Stimme im Ohr: "Es war mein zwanzigster Geburtstag und es gab niemanden mehr auf der Welt, der das wußte."
Das war im Kinder-und Jugendtheater "Schotte".Ich sehe sie aber auch noch vor mir, bei gleicher Gelegenheit zusammen mit der jungen Tänzerin Emese Cuhorka auf Bürostühlen über die Bühne rollend; abwechselnd geben sie einander Schwung, sie heben die Beine und werfen fast übermütig die Köpfe nach hinten. Da ist Éva schon über 90 Jahre alt.
Über Jahre durfte ich Éva Fahidi-Pusztai immer wieder erleben, lernte sie mehr und mehr kennen, bei Lesungen, Diskussionen, Ausstellungen im Erinnerungsort, beim Gedenken in Buchenwald; ich las, sah Filme über sie und mit ihr und verfolgte, was über sie geschrieben wurde. Sie wurde mir vertraut.
Immer wieder erstaunte mich ihre Unermüdlichkeit, das Erlebte weiterzutragen, die vielen Reisen, die sie deswegen unternahm, und trotz allem diese Freude am Leben auszustrahlen, ihre Freundlichkeit, ihr feines Wesen.Am 11. September war ich zum ersten Mal in Auschwitz-Birkenau. Seit Éva davon erzählt hatte, wie es für sie gewesen war, nach fast 60 Jahren zum ersten Mal wieder auf dem Gelände des Konzentrationslagers zu stehen- und obwohl ich doch meinte, durch oftmalige Besuche in Buchenwald schon viel über Geschehnisse und Bedingungen dort zu wissen- wünschte ich mir zu sehen, was Éva gesehen hatte und dem Grauen, das sie dort erlebt hat, nachzuspüren.
"Ich will meine Seele nicht damit verschmutzen, daß ich hasse."
Diesen - ihren - Satz zwang ich mich zu denken und ich mußte mich immer wieder dazu zwingen: auf dem Weg ins Lager Auschwitz durch den modernen Beton-Tunnel, in dem eine Männerstimme in ununterbrochener Folge die Namen der Umgekommen nennt, zwischen Ziegelbaracken, Tafeln mit verstörenden Zeichnungen betrachtend, bei den erklärenden Worten der freundlichen Polin, die uns durch die beiden Lager führte, und später beim Anblick der Schienen, die am Tor zum riesigen Gelände von Birkenau zusammenlaufen.Als ich spätnachmittags nach Krakòw zurück kam, erhielt ich die Nachricht von Évas Tod.
Ich weiß nicht, ob Ando Andrási, ihr Gefährte der letzten Jahre, bei ihr sein konnte. Ob er noch einmal Apfelsuppe ohne Éva zubereiten wird.
Meine Anteilnahme gilt ihm und Évas Familie, und allen anderen, die das Glück hatten ein Stück an ihrer Seite durchs Leben gehen zu dürfen.In der Erinnerung verneige ich mich vor einer großen kleinen Frau.
Sylke Rupprecht
Éva, eine großartige und starke Persönlichkeit, ist von uns gegangen.
Wir sind außerordentlich dankbar, ihr begegnet zu sein.
Ihr Lebensmut und ihre Kreativität hat uns in der Auseinandersetzung mit ihrem persönlichen Schicksal immer wieder beeindruckt.
Ihre Hoffnung, dass der Einzelne Verantwortung übernimmt für eine lebendige friedvolle demokratische Gesellschaft, ist unser Auftrag.In tiefer Verbundenheit
Katja Heinrich, Claudia Müller und Anja Schneider
sowie unsere Mitstreiter*innen in den Lebenshilfen aus Erfurt, Jena und Weimar
Barrierefrei erinnern
Das Zentrum für Thüringen
Liebste Éva,
du warst für mich ein wichtiger Mensch, der mich in meinen jungen Lebensjahren geprägt hat, als ich wie jeder junge Mensch noch etwas orientierungslos durch diese Welt ging: auf der Suche und meinen Platz noch findend. Durch dich habe ich einen wertvollen Kompass erhalten, mit dem ich mich sicher durch die gegenwärtigen und zukünftigen Zeiten navigiert fühle. Dankbar bin ich auch für die Liebe, die du mir geschenkt hast. Du hattest ein so großes Herz, das jeden aufgenommen hat, der es wollte. Dafür habe ich dich bewundert.
Dich ein Stück begleiten zu können, war mir eine große Ehre und Freude. Ich bin sehr glücklich, dass ich – damals noch am Erinnerungsort Topf & Söhne tätig – die Aufführungen des Tanztheaters „Sea Lavender oder Die Euphorie des Seins“ zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus 2016 in Erfurt gemeinsam mit dir und dem Budapester Projekt The Symptoms mitorganisieren und erleben durfte. Diese Zeit wird ein Höhepunkt in meinem Leben bleiben.
Ich verneige mich vor dir und denke beim Abschiednehmen an deine warme Stimme, wie sie am Telefon abschließend stets liebevoll und in voller Vorfreude auf das nächste Wiedersehen sagte: Tschüs, tschüs!
Deine Sophie II
Sophie Eckenstaler
So wie ihre Geschichte zu Tränen rührte, brachte sie mit ihrem Lächeln und ihren Worten Wärme in die Herzen der Menschen.
Wir werden Éva Fahidi-Pusztai, diese so bemerkenswerte und beeindruckende Persönlichkeit, sehr vermissen!
Ihrem Lebenspartner Bandi, ihrer Familie und ihren Freunden unser herzliches Beileid.
Hendrik Krumbein und Stefanie Abdelouahab
„Wer Menschlichkeit in einem Spiegel sähe,
der sähe Dich und wüßte, wie Du heißt.“Der Förderkreis Erinnerungsort Topf & Söhne e.V. trauert um Éva Fahidi-Pusztai als einer verlässlichen Freundin und Ermutigerin, als einem leuchtenden Beispiel dafür, dass Mitmenschlichkeit selbst noch nach bitterster Erfahrung größter Menschenfeindlichkeit, dass selbstbefreiendes und zärtlich zur Mündigkeit befähigendes Sprechen noch nach jahrzehntelangem Schweigetrauma möglich ist und dass dieses zarte Sprechen an den Grenzen des Mitteilbaren zusammengehört mit dem kämpferischen „Nein!“ zu jeder Form der Menschenverachtung für die wir Dir - gemeinsam mit Wolfgang Nossen und Karl Metzner - 2014 den Jochen Bock-Preis für Zivilcourage und die vorbildhafte Erfüllung „der Pflicht zum Neinsagen“ gegen Antisemitismus, Antiziganismus, Homophobie und alle anderen Formen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit verleihen durften.
So oft war sie bei uns im Erinnerungsort Topf & Söhne - die Ofenbauer von Auschwitz zu Gast als Zeitzeugin, Rednerin, Diskutantin - und zuletzt auch in ihrer eigenen Ausstellung „Evas Apfelsuppe“ - präsent. Stets füllte sie den Raum mit ihrer kraftvollen Stille und stets fanden ihre Worte und Blicke direkt in die Herzen derer, die das Geschenk ihrer Gegenwart erleben durften: Die zarten Worte der Liebe und Mitmenschlichkeit, die manchmal stärkeren und manchmal etwas zögerlicheren Worte der Hoffnung und auch die kämpferischen und gegen die Ideologien von Hass und Abwertung und gegen relativierende Geschichtsverfälschungen streitenden Interventionen.
Sie wird uns immer Vorbild, Inspirationsquelle und Mitstreiterin im Geiste bleiben. Wir werden ihr Zeugnis weiter tragen und die gemeinsamen Kämpfe um die Erinnerung in ihrem Sinne weiter führen.
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Liebste Éva, immer wieder habe ich neu zu diesem Eintrag in Dein Kondolenzbuch angesetzt und immer wieder geriet ich ins Stocken. Wegen Überfülle all unserer gewichtigen Erinnerungen an Dich, die zu erzählen ein Buch bräuchte, aber auch aus einer inneren Unfähigkeit, gerade jetzt über Dich in der dritten Person zu sprechen.
Zu stark bist Du mir - und jedem/jeder Einzelnen von uns – zu gegenwärtig, um zu diesem Anlass so distanzierend schreiben zu können. Ich durfte Dich an vielen sehr unterschiedlichen Orten erleben und hatte auch das ganz besondere Privileg, zusammen mit meiner Frau Beate bei Dir und Deinem Bandi in Budapest zu Gast sein zu dürfen. Zu Gast in Deiner Wohnung, die so sehr Deinen wunderbaren und mutigen Geist konsequenter Menschlichkeit atmete. Wir hatten sehr nachdenkliche und kritisch uns selbst befragende Gespräche über Zeugenschaft und über unsere Verantwortung, Zeugen der Zeugen zu sein. Auch in der Übernahme dieser Verantwortung wissen wir uns durch Dich getragen, inspiriert und ermutigt, liebste Éva.
Das, was uns verbindet, überwindet den Tod.
Während ich dies aufschreibe, sitze ich vor Deinem großen Portrait neben dem unseres lieben Freundes Naftali Fürst, der nachher per Videobotschaft zu uns sprechen wird. Eure Portraits schauen uns Inspiration und Courage spendend an und gleichzeitig konfrontiert Ihr die architektonischen Reste des „Gauforums“ in unseren Rücken mit Eurem Triumph der Mitmenschlichkeit und des Streitens für die Unantastbarkeit der Würde aller Menschen.
Liebste Éva, wir hatten einmal ein Gespräch über Poesie, Musik und Tanz in dem Du plötzlich Rilke rezitiertest:
„Ach wer Musik in einem Spiegel sähe, der sähe dich und wüßte, wie du heißt.“
Noch während Du sprachst, formten sich diese Sätze in meinem Kopf um:
„Wer Menschlichkeit in einem Spiegel sähe, der sähe Dich und wüßte, wie Du heißt.“
Im Namen des gesamten Förderkreises möchte ich Dir unseren Dank und unsere Liebe mit auf Deine Reise zu Deinen Lieben geben. Du, die uns in all den gemeinsamen Veranstaltungen und Gesprächen so innig und höchstpersönlich begegnet bist, weißt, dass ich nur in diesem persönlichen Ton im Namen aller unsere Mitstreiterinnen und Mitstreiter sprechen konnte, die ebenfalls in je eigener Art und Tonalität ein inniges, ein höchstpersönliches Verhältnis zu Dir haben.
Liebe Éva, bitte höre ihre Herztöne in meine Zeilen hinein und bitte lese zwischen diesen Zeilen unsere gemeinsamen Begegnungsgeschichten, an die wir ganz individuell - und gerade darin wieder vereint - denken, während wir auf Dein Portrait schauen und uns dabei von Dir gehalten und getröstet wissen.
Rüdiger Bender
Förderkreis Erinnerungsort Topf & Söhne e.V.