Bisher unbekanntes Erfurter Tagebuch aus Israel zu Gast in Deutschland

26.01.2023 10:43

16 deutsche Bundesländer – 16 persönliche Objekte von Menschen, die vor den Nationalsozialisten aus Deutschland flohen und ihre Erinnerungsstücke der internationalen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Israel überließen. Diese Auswahl reiste erstmals nach Deutschland für eine Ausstellung zum 70-jährigen Bestehen von Yad Vashem im Deutschen Bundestag. Bestandteil aus Erfurt: das Tagebuch von Marion Feiner, in dem sie ihr Leben von 1935 bis zu ihrer Ausreise aus Deutschland festhielt. Ein einzigartiges Zeugnis, das nach der Ausstellung in Berlin und einer Station aller Exponate in Essen auch erstmals in Erfurt präsentiert werden wird.

Erfurt auf Ausstellung zu 70 Jahren Yad Vashem im Deutschen Bundestag vertreten

Blick in ein geöffnetes Buch mit alter Schreibschrift
Foto: Tagebuch von Marion Feiner in der Ausstellung im Deutschen Bundestag Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

Die Ausstellung wurde 24. Januar 2023 im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas eröffnet. Es sprachen u. a. der Bundesminister der Finanzen, Christian Lindner, und Israels Botschafter, Ron Prosor.
 

Foto: Dr. Tobias J. Knoblich am Exponat in Berlin Foto: © Muchtar Al Ghusain

Für Thüringen reiste der Beigeordnete für Kultur und Stadtentwicklung, Dr. Tobias J. Knoblich, nach Berlin: „Ich war sehr berührt, das Tagebuch aus dieser Zeit der Judenverfolgung zu sehen. Bewegt hat mich zudem, dass Schülerinnen und Schüler der Berliner Johanna-Eck-Schule während der Festveranstaltung aus dem Tagebuch vorlasen, junge Menschen wie damals Marion Feiner. Ich habe sie gemeinsam mit ihrem Schulleiter nach Erfurt eingeladen, um ihnen zu zeigen, wie wir mit unserem jüdischen Erbe umgehen.“

Das Tagebuch von Marion Feiner wird im Rahmen einer Ausstellung im Erinnerungsort Topf & Söhne vom 21. April 2023 bis 3. März 2024 in Erfurt zu sehen sein. Der Titel: „Miriams Tagebuch. Die Geschichte der Erfurter Familie Feiner“.

Hintergrund

Marion Feiner, später Miriam Ziv (1921 – 2012), und ihre ältere Schwester Charlotte, später Yael, wuchsen in einer Familie auf, die sich der Kulturszene und besonders der Musik aufs Engste verbunden fühlte. Der Vater arbeitete im Dachverband der Komponisten. Dank seiner Arbeit erhielt die Familie häufig Eintrittskarten für Musik- und Opernaufführungen. Marion war eine gute Sportlerin und verstärkte das Schwimmteam ihrer Schule. Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten verlor Joseph Feiner seine Stellung und wurde depressiv. Fortan ernährte die Mutter mit Schneiderarbeiten die Familie.

Als Marion aus ihrer Schule und aus ihrer Mannschaft ausgeschlossen wurde, begann sie mit ihren Aufzeichnungen in einem Tagebuch, das sie von ihrer Freundin Lissy zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Darin dokumentierte sie die Ereignisse im Leben ihrer Familie. Zunehmend öffnete sie sich für den Zionismus.

Im Februar 1938 schickten die Eltern ihre beiden Töchter nach Eretz Israel; Marion kam zunächst in den Kibbuz Ginegar, 1940 ging sie nach Degania. Ihre Eltern wurden nach Lwów (Lemberg) deportiert und an einem unbekannten Ort ermordet.

Marions Tochter Dalia übergab das Tagebuch später an Yad Vashem.

(Quelle: Begleitheft „Sechzehn Objekte. Eine Ausstellung zu siebzig Jahren Yad Vashem“, herausgegeben. vom Freundeskreis Yad Vashem, Berlin 2023, S. 41, Kuratorin: Ruth Ur)