
Die Möllner Briefe

Die Betroffenen wussten lange nichts von der Solidarität
Am 23. November 1992 verübten Neonazis Brandanschläge auf zwei Häuser in Mölln, die von zwei aus der Türkei stammenden Familien bewohnt wurden. Drei Menschen kamen dabei ums Leben: die zehnjährige Yeliz Arslan, die 13-jährige Ayşe Yılmaz und die 51-jährige Bahide Arslan bei dem Versuch, die beiden Mädchen zu retten. Zuvor war es ihr gelungen, ihren siebenjährigen Enkel İbrahim Arslan in nasse Tücher zu wickeln und so vor dem Tod zu bewahren. Weitere Menschen wurden teilweise schwer verletzt.
In den Tagen und Wochen nach den rassistischen Brandanschlägen schrieben hunderte Menschen den betroffenen Familien – überwiegend, um ihre Solidarität und ihr Mitgefühl auszudrucken. Doch die vielen Briefe, Postkarten, Kinderzeichnungen und Hilfsangebote erreichten die Familien nicht. Erst Jahrzehnte später wurde İbrahim Arslan durch einen Zufall auf die Briefe aufmerksam, die im Archiv der Stadt Mölln gelagert waren. Wie es dazu kam, dass die Betroffenen der Anschläge nach eigenen Angaben nichts von den Briefen erfuhren, ist bis heute nicht geklärt.
Durch ihren Dokumentarfilm „Die Möllner Briefe“ eröffnet Martina Priessner eine neue Perspektive des Erinnerns, die den Stimmen der Betroffenen den Raum und die Anerkennung gibt, die sie verdienen. Sie folgt Ibrahim Arslan und seinen Geschwistern bei der Entdeckung dieser Briefe und bei der Begegnung mit drei Schreibenden. Ihre Geschichte stellt die Überlebenden in den Mittelpunkt und zeichnet damit ein komplexes Bild des anhaltenden Traumas, das ihr Leben prägt.
Der Film beleuchtet nicht nur die Erfahrungen der Überlebenden, er deckt auch die große Solidarität auf, die es gab – eine Solidarität, von der die Opfer bis zu diesem Zeitpunkt nichts wussten.
Am 14. Februar feierte der Film auf der Berlinale 2025 Weltpremiere. Er wurde dort mit dem Amnesty-Filmpreis ausgezeichnet und läuft ab dem 25. September bundesweit in den Kinos. Eine Frage für das Filmgespräch wird sein, wie Prävention, Solidarität und Erinnerungskultur aus der Sicht der Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt aussehen kann und muss.
Eintritt zum Film: 9 €, ermäßigt 7 €
Filmgespräch um 13 Uhr: Eintritt frei
In Zusammenarbeit mit
Kinoklub Erfurt
Landeszentrale für politische Bildung Thüringen
ezra – Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen