Veranstaltungsbericht zur Langen Nacht der Museen im Erinnerungsort

25.05.2018 18:00

Der Erinnerungsort Topf & Söhne bot seinen zahlreichen Gästen zur Langen Nacht der Museen am 25. Mai 2018 ein breit gefächertes Programm.

Gebäude mit Außenglände am Abend
Foto: © Stadtverwaltung Erfurt
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Ein breit gefächertes Programm bot der Erinnerungsort Topf & Söhne seinen zahlreichen Gästen zur "Langen Nacht der Museen". Den Anfang machte eine deutsch-arabische Führung durch die Dauerausstellung. Mahmoud Ramok Baki, ein junger Syrer, der 2015 flüchtete und seinen Bundesfreiwilligendienst im Erinnerungsort leistet, und Juliane Podlaha, freiberufliche Mitarbeiterin im Erinnerungsort, zeigten Menschen mit Fluchterfahrung und ihren Betreuern die Geschichte des Erfurter Unternehmens Topf & Söhne, dessen Mitarbeiter ohne Skrupel und aus freier Initiative Entlüftungstechnik für die Gaskammern von Auschwitz-Birkenau und Verbrennungsöfen für die Krematorien nationalsozialistischer Konzentrationslager geliefert hatten. Erfreulicherweise traf dieses Angebot auf eine große Resonanz, das Thema der Führung fand bei einer Vielzahl Besuchern Anklang.

Foto: © Stadtverwaltung Erfurt/ D. Urban

Zu ihrer Buchlesung "Taxi am Shabbat" luden im weiteren Verlauf des Abends die beiden Journalisten Eva Gruberová und Helmut Zeller ein. Sie haben für ihr Buchprojekt sieben ehemals staatssozialistische Länder bereist, um zu erfahren, wie in diesen früheren Zentren des osteuropäischen Judentums heute Menschen jüdischen Glaubens leben, wie viel Akzeptanz oder auch Ablehnung sie erfahren und welche Erinnerung an die Shoa sie haben. Die beiden Autoren berichteten aus dem polnischen Krakau, wo gerade junge Menschen vielfach von einer Wiedergeburt des jüdischen Lebens in Polen träumen, wo das Miteinander aber auch von Anzeichen eines verstärkten Antisemitismus geprägt ist. Gespräche mit betagten Zeitzeugen verweisen auf schreckliche Geschehnisse nach Kriegsende in Polen, zum Beispiel auf ein Pogrom gegen jüdische Menschen in Krakau am 11. August 1945. Dunklen Erinnerungen begegneten Eva Gruberová und Helmut Zeller auch im ukrainischen Lemberg, wo es beispielsweise Ende Juni 1945 fast zu einem Pogrom kam. Heute berichten überlebende Juden von einem erstarkenden Antisemitismus in der Westukraine. Die Geschichte einer jüdischen Familie im tschechischen Karlsbad, welche die Buchautoren recherchiert haben, steht als ein Beispiel für das Schicksal der letzten sudetendeutschen Juden. Der Überlebende Otto Mayer, inzwischen über 80 Jahre alt, hat vielfache Erinnerungen an jene unheilvollen Tage im Herbst 1938, als die Nationalsozialisten in Folge des Münchner Abkommens das Sudetenland in Besitz nahmen und die Leidenszeit der dort lebenden Juden begann. Otto Mayer erlebte die Hölle in der Kinderbaracke von Theresienstadt, nach dem Krieg wurde seine Familie in der ČSSR diskriminiert, weil sie „deutsch“ war – ein verstörendes Schicksal einer europäischen Familie im Zeitalter totalitärer Systeme.

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Zeitlich gleichsam „eingebettet“ in die Lesungen der beiden Journalisten war der Auftritt des Misrach-Quartetts. Die Musiker ließen traditionelle jüdische Melodien aus Osteuropa erklingen. Die Besucher lauschten jiddischen Liedern ebenso wie chassidischen Melodien der Ostjuden, sefardischen Liedern der spanischen Juden, Kompositionen des Orients und Musik der Klesmorin vom Balkan.