Heino Falcke: Laudatio für Karl Metzner zur Jochen-Bock-Preisverleihung am 25. Januar 2014

25.01.2014 18:00

"Aber erkennen und tun, das gehörte bei ihm zusammen."

Heino Falcke, Probst i. R.

Foto: Heino Falcke, Probst i. R. Foto: © Stadtverwaltung Erfurt, Martin Sengewald

Karl Metzner, Sie gehören zu den wenigen Leuten die es noch gibt, die drei politische Systeme bewusst erlebt haben und nicht nur bewusst erlebt haben, Sie gehören zu den ganz seltenen Leuten die in allen drei politischen Systemen kritische politische Verantwortung wahrgenommen haben. Sie waren einer dieser fünf Schüler, Sie waren dann, so habe ich Sie kennen gelernt, ein evangelischer Pfarrer für den es selbstverständlich war, dass das Evangelium von Jesus Christus politische Implikationen hat für die man einstehen muss. Und Sie waren dann in der Bundesrepublik einer der das Recht auf freie Meinungsäußerung immer auch so genutzt hat, dass er unbequeme Wahrheiten geäußert hat, als Christ und als Bürger.

Damit könnte ich die Laudatio eigentlich schließen. Was kann man mehr sagen? Aber es gibt da ein paar lobenswerte und beherzenswertige Dinge in ihrem Leben, Karl Metzner, die ich nicht verschweigen kann, die ich hier doch noch erwähnen muss.

Da haben doch diese fünf Schüler in der Haft in der Andreasstraße - Diese Haftanstalt zu einer Bildungsklausur umgewandelt. Ich habe das gelesen aus ihren Berichten die sie gelegentlich so gegeben haben, mit Hilfe eines Bibliothekars der ihnen Bücher aus der Gefängnisbibliothek auslieh, haben Sie sich da weitergebildet. Und es ist kein Zufall, dass Karl Metzner aus dieser Lektüre ein Zitat von Theodor Storm im Gedächtnis behalten hat. Es lautet:

Wenn der Pöbel aller Sorten tanzet um die goldnen Kälber, halte fest: Du hast vom Leben nur dich selber!

Das Selbst von Karl Metzner, das hat er festgehalten durch den Wandel der Geschichte und der Erfahrungen und der Systeme.

Was war das für ein Selbst, dass sich da so durchgehalten und bewährt hat? Es war zuerst ein tätiges Selbst. Der Weg von der Erkenntnis und von der Glaubenserkenntnis zum Handeln war bei Karl Metzner unheimlich kurz, ohne kurzschlüssig zu sein. Aber erkennen und tun, das gehörte bei ihm zusammen. Ich will dafür nur einige Beispiele geben. 1947, in der südfranzösischen Gefangenschaft, wurde Karl Metzner durch die Gespräche mit dem Lagerpfarrer und die Lektüre des neuen Testamentes so richtig Christ und am ersten Advent wurde er konfirmiert in der Lagerkirche. Und dann hatte er die Chance zu Weihnachten entlassen zu werden und er hat das verweigert und er hat gesagt zu dem Lagerpfarrer: "Ich kann dich hier nicht allein lassen." Der hatte nämlich den Auftrag alle Lager in Südfrankreich zu besuchen und dort die zu registrieren, die gefallen waren und gestorben waren. Und das hat dann fast ein Jahr gedauert, bis zum November 1948. Da begann also das Christ sein für Karl Metzner sofort mit einer Tat, mit einer praktischen Entscheidung. 1956 – Lothar Kreyssig gründete die berühmt gewordene Aktion Sühnezeichen. Zeichen aufzurichten für die Völker die unter dem NS-Regime gelitten hatten, zur Sühne für die deutsche Schuld. Karl Metzner war bei dem ersten Einsatz, bei dem ersten Lager, das die Aktion  Sühnezeichen durchführte dabei und nachher noch in vier oder fünf  Lagern. 1966 – die allgemeine Wehrpflicht in der DDR war eingeführt, es gab den Streit um die Verweigerung, um die Bausoldaten. Karl Metzner schrieb an Gerald Götting, den Chef der Ost CDU, einen Brief in dem er seine Empörung darüber zum Ausdruck brachte, dass Gerald Götting Wehrdienst und Friedensdienst in eins gesetzt hatte. Er klagte ihn an der Verführung junger Christen und behauptete Militärdienst ist nicht Friedensdienst, sondern ein absoluter Irrweg. Anfang der 90er Jahre, der Golfkrieg brach aus, Karl Metzner war dabei, bei der Gründung des Aktionskreises für den Frieden bei den Demonstrationen und selbstverständlich war er auch dabei, bei der Aufstellung des Denkmals für den unbekannten Wehrmachtsdeserteur – ein tätiges Selbst. Es gibt ja Leute, die wollen ihr Selbst rein halten indem sie sich überall raushalten. Karl Metzner gehörte zu denen die gehandelt haben. Übrigens – Ist Ihnen schon mal aufgefallen: Dieser merkwürdige Doppelsinn von Handeln in der deutschen Sprache? Ihr wart auf einer Handelsschule, ihr habt gehandelt. Aber ganz anders als von euch erwartet wurde. Das Zweite: Das Selbst von Karl Metzner war ein gradliniges Selbst. Karl Metzner sie haben sehr vielen Gruppen, Vereinen, Aktionsgemeinschaften, Initiativen angehört oder sich in denen beteiligt. Das waren Initiativen sehr unterschiedlicher Art und auch unterschiedlichen größeren Strömungen angehörig. Und ich habe mir manchmal gedacht: Wie bringt der Karl Metzner das alles zusammen? Aber ich war zugleich gewiss in jeder dieser Gruppierungen bleibt er er selbst. Er bleibt seinem Selbst treu, er bleibt der Sache treu für die er sich einsetzt und für die er in diesen Gruppierungen einen Anhaltspunkt fand und er ließ sich nicht instrumentalisieren. Er blieb dabei, er hält seinen Kurs, er identifiziert sich nur mit dem was er verantworten kann. Und in dieser Geradlinigkeit hat er aber Gräben überwunden. Gräben, die in der Gesellschaft bestanden und in der Kirche bestanden. Da gibt’s zum Beispiel den Graben zwischen rechts und links. Und in der Kirche ist man mehrheitlich doch eher rechts, aber Karl Metzner war durchaus in linken Gruppierungen zuhause und so hat er in seiner Geradlinigkeit gleichzeitig Gräben überbrückt. Das sind die echten Querdenker, die Gräben überbrücken und bei ihrer Sache bleiben.

Und schließlich: Woran bestand denn diese Sache für die Karl Metzner in drei Systemen eingetreten ist? Das ist sehr schwer kurz zu benennen, weil es immer konkret und für bestimmte Dinge war und es ging nicht um einen Begriff, sondern es ging meistens um Menschen und es ging um konkrete Entscheidungen. Aber wenn man sie in einem Wort zusammenfassen will, dann würde ich sagen: Schalom. Schalom im Vollsinn der jüdischen Bibel und der christlichen Bibel. Schalom schließt einen aufrichtigen Umgang mit der Vergangenheit, eine Umkehr aus aller Gewalt zu einer Mitmenschlichkeit die den anderen würdigt und ehrt und Beziehungen zu ihm aufbaut. Das ist glaub ich das was Karl Metzner auf seinem ganzen Weg geleitet hat, diese Leitlinie.