Thüringer Allgemeine: Museumspreis geht an den Erinnerungsort Topf & Söhne

03.12.2014 10:00

Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen würdigt das museumspädagogische Konzept der Einrichtung am Sorbenweg

von Frank Karmeyer

Erfurt. Der Erinnerungsort Topf & Söhne beeindrucke, irritiere und verunsichere die Besucher zugleich. Er tue dies als "Ort des Bösen", der aufzeige, wie dicht die Normalität des beruflichen Alltags und die leichte Verführbarkeit des Menschen beieinander liege, würdigte Volker Rodekamp, Direktor des stadtgeschichtlichen Museums Leipzig, in seiner Laudatio. Für das museumspädagogische Konzept ist der Einrichtung gestern der Museumspreis 2014 der Sparkassen- Kulturstiftung Hessen-Thüringen verliehen worden. Verbunden mit einem Schild für die aktengraue Fassade, einer Publikation über das Haus und einem Preisgeld von 25 000 Euro.

Geld, das wieder in die pädagogische Arbeit fließen wird, kündigte Annegret Schüle als Leiterin des Gedenkorts an. Ihr gebühre besonderer Dank, den Museumspreis nach der Auszeichnung 2004 für das Naturkundemuseum erneut in die Stadt geholt zu haben: "Ohne ihre Forschung und Arbeit würde es diesen Ort nicht geben", sagte Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein. Sie habe gute Antworten gefunden auf die Fragen, die sich am Erinnerungsort stellten. Etwa jene, wie sich die Banalität einer Erfurter Firma mit der Monstrosität von Auschwitz verbinden lässt.

Bausewein erinnerte an die lange Zeit unsichere, dann aber weithin einmütig getroffene Entscheidung des Stadtrats vor zehn Jahren, sich zu diesem "schwierigen Ort und furchtbaren Teil der Erfurter Geschichte" zu bekennen. Heute sensibilisiere er die Jugend, auf aktuelle Bedrohungen der Menschenrechte zu schauen. Einen "lebendigen Ort der Begegnung" nannte Sparkassen- Vorstand Hans-Georg Dorst das Museum. Es mache sichtbar, was sich hinter der Vernichtungsmaschine und dem millionenfachen Morden der Nationalsozialisten abgespielt habe, ergänzte Thüringens Bildungsminister Christoph Matschie.

Die Diskussion in der Jury für den alle zwei Jahre vergebenen Preis sei diesmal nur kurz gewesen, sagte Rodekamp. Energie und Kreativität des kleinen Teams um Annegret Schüle in dem äußerlich unscheinbaren Museum hätten schnell überzeugt. Zumal der Ort nicht nur auf eine 70 Jahre zurückliegende Geschichte zurückblicken lasse, sondern Inhalte vermittle, die aktueller seien denn je. Der Fall Tugce sei ein Beispiel dafür, wie Menschen sich die Frage nach dem eigenen Handeln stellen müssen, wären sie dabei gewesen – damals genauso wie heute.

Mehr als zwölf Jahre schon hat sich Annegret Schüle mit der Geschichte des Ofenbauers für Auschwitz, mit Biografien der Ingenieure und Techniker befasst. Wobei es nicht allein um eine Firma gehe, sondern "exemplarisch darum, wie irritierend leicht Menschen ihre ethischen Grenzen zu überschreiten in der Lage sind". Voller Stolz und Dankbarkeit nehme sie den Preis entgegen und verwies auf viele Unterstützer bei der Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels Erfurter Geschichte.

Aber auch Sorge klang an, zum Erhalt der beiden Festangestellten- Stellen und zur Zukunft des Gebäudes. Denn die Stadt ist mit dem Museum nur Mieter an authentischem Ort. Zwar sei die Stadt vom Bedenken- zum Projektträger geworden, seit zunächst Jugendliche das Gebäude besetzt hatten, doch unter dem Schutz öffentlicher Hand stehe das Gebäude so nicht.

Das Preisgeld soll in Bildungsarbeit mit Schülern fließen. Geplant sei außerdem, mit einer Wanderausstellung zum Thema "Industrie und Holocaust" die Forschungsergebnisse zu Topf & Söhne in die Welt zu tragen.

Foto: Leiterin Annegret Schüle (links) und Gedenkstättenpädagogin Rebekka Schubert freuen sich über die Auszeichnung.