Freies Wort: "Gutes Signal aus Thüringen"

01.03.2013 10:00

Gleich die erste Sonderausstellung der Gedenkstätte Topf und Söhne wurde zur Wanderausstellung ausgebaut. Gestern wurde sie im Bildungszentrum der Polizei in Meiningen eröffnet

von Milina Reichardt-Hahn

Meiningen - "Keinen Selbstzweck" verfolgt die Wanderausstellung von Topf und Söhne, betonte Innenminister Jörg Geibert (CDU) in seinem Vortrag zur Ausstellungseröffnung. Stattdessen sei die Schau mit dem Titel "Un-er-setz-bar. Begegnungen mit Überlebenden" als "historisch-politischer Beitrag" zu verstehen. Weil das "singuläre Menschheitsverbrechen der Shoa" untrennbar mit der Polizei im NS-Staat verbunden ist, begründete Geibert, sei es wichtig, dass die Ausstellung gerade am Drachenberg gezeigt werde. Da, wo Polizeibeamten aus- und fortgebildet werden, die im zukünftigen Berufsleben für den demokratischen Rechtsstaat eintreten. "Auf dass Verbrechen nicht vergessen werden und die Demokratie aufrechte Wahrer und Streiter behält", formulierte Geibert folgerich­tig seine Wünsche für die Ausstel­lung. Mit 7000 Euro hatte das Innenministerium die Erfurter Gedenkstät­te um Leiterin Annegret Schule unterstützt, damit die Wanderausstellung realisiert werden konnte. Schüle bewertet die mobile Schau als "gu­tes Signal aus Thüringen". Für Prä­sentationen im Land, aber auch dar­über hinaus, stehen die multimedialen Exponate jetzt zur Verfügung. Angedacht sind bereits Vorführungen in Buchenwald, Koblenz und Frankfurt. Filminterviews, in denen "fünf Überlebende der nationalsozialistischen Vernichtung" von ihrer Kindheit, von Lagererfahrungen und dem Schicksal ihrer Familien berichten, machen einen Großteil der Schau aus.

Vermächtnis statt Opfer

Annegret Schüle legt Wert darauf, dass die Überlebenden nicht nur als Opfer dargestellt werden. "Sie und Handelnde", erläutert die Leiterin des Erinnerungsortes, „die den folgenden Generationen ein Vermächtnis weiterzugeben haben." Von ihren Erfahrungen zeugen Dokumente, Fotos und Gegenstände. Ein Taschentuch, bestickt mit der ei­genen Häftlingsnummer, hat die Großmutter von Reinhard Schramm hinterlassen. Der Ilmenauer Schramm ist einer der fünf Überlebenden, denen "Un-er-setz-bar" gewid­met wurde. Zur Vernissage drückte er, sichtbar bewegt, seinen persönli­chen Dank aus. "Jeder neuen Gene­ration muss ein Zugang zu den Erfah­rungen erschlossen werden, um den Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen weiterzuführen", unterstrich er.

Die Begegnung mit Schicksalen von Überlebenden sei nicht ersetzbar durch andere Formen von Wissensvermittlung, "weil die persönlichen Geschichten immer berührender" seien als beispielsweise Statistiken. Schramm der seit Dezember Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde ist, deutete einige Erlebnisse an, erzählte von Frauen im früheren Wohnhaus, die seiner jüdischen Mutter und ihrem Baby den Platz im Luftschutzkeller verweigerten. Neben ihm gehören drei überlebende Frauen zu den Geehrten der Ausstel­lung und der Schmalkalder Günter Pappenheim. Als Vertreter des Thüringer Landtags begrüßte Gerd Lang, Leiter des Bildungszentrums der Po­lizei, Rolf Baumann (SPD) und Frank Kuschel (Die Linke). Mit Monika Aschenbach und Sascha Münzel von der Bundesbehörde für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, die ebenfalls anwesend waren, verbinde die Polizeischule der "gemeinsame Bildungsauftrag", neueste deutsche Geschichte erlebbar und zugänglich zu machen.

"Einzelbesucher und Schulklassen aus Meiningen und Umland sind uns sehr herzlich willkommen", versicherte Lang. Voranmeldung ist nötig, unter 03693/805207 oder /805308. Besuchstermine bevorzugt Montag bis Freitag von 9 bis 14 Uhr.