Éva Pusztai wird Ehrenbürgerin von Stadtallendorf (Hessen)

15.05.2014 10:00

Nach einstimmiger Entscheidung des Stadtparlaments wird Éva Pusztai, Überlebende des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau, am 15. Mai das Ehrenbürgerrecht verliehen. Stadtallendorf würdigt mit dieser besonderen Ehrung ihre Verdienste für die Versöhnung und die Erinnerung an den Holocaust.

Über die Person Éva Pusztai

Éva Pusztai wurde im Juni 1944 als 18-Jährige zusammen mit ihren Eltern und ihrer Schwester aus Debrecen (Ungarn) nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Ihre gesamte Familie, insgesamt 49 Menschen, wurden nach der Ankunft in den Gaskammern ermordet. Sie selbst wurde als „arbeitsfähig“ selektiert und verblieb zunächst sechs Wochen in Birkenau, bevor die SS sie und 999 weitere ungarische Frauen in das KZ Münchmühle bei Allendorf (heute Stadtallendorf) verschleppte. Dort musste sie in einem Sprengstoffwerk der Dynamit Nobel AG Zwangsarbeit leisten. Unterernährt, notdürftig bekleidet und unter strenger Bewachung verfüllten und schleppten die jungen Frauen täglich 8 bis 12 Stunden 50 kg schwere Granaten.

Von den Mithäftlingen ihrer "Fünfergruppe" – fünf junge Frauen zwischen 14 und 18 Jahren, lebt nur noch Éva Pusztai, die älteste. Im KZ gaben sie sich gegenseitig Kraft und Hoffnung. Zeitlebens verband sie eine tiefe Freundschaft. Die Ehrung am 15. Mai in der Stadthalle wird auch in Erinnerung an ihre Freundinnen und die anderen jüdischen Frauen im KZ Münchmühle stattfinden.

Éva Pusztai reist heute, im Alter von 88 Jahren, regelmäßig nach Deutschland, um hier vor allem mit Jugendlichen über ihre Erfahrungen in Auschwitz-Birkenau und in Allendorf zu sprechen. Unermüdlich und engagiert erhebt sie ihre Stimme gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Doch das war nicht immer so. Jahrelang schwieg sie über ihren Verlust. 1990 lud der damalige Bürgermeister von Stadtallendorf, Manfred Vollmer, die Überlebenden des KZ Münchmühle zu einer Begegnungswoche ein. In dieser Zeit erlebten Éva Pusztai und die anderen ungarischen Frauen das erste Mal, dass Menschen sie um Verzeihung baten und ihre Geschichte hören wollten. 2003, bei ihrem ersten Besuch der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, beschloss Éva Pusztai, ihr Schweigen zu brechen. Am 27. März 2004 sprach sie zum ersten Mal öffentlich über ihre Erinnerungen an den Holocaust – in Stadtallendorf.

Dem Dokumentations- und Informationszentrum Stadtallendorf, das sich im ehemaligen Verwaltungsgebäude der Dynamit Nobel AG befindet, überließ sie für die Dauerausstellung alle Gegenstände, die ihr aus der Zeit in Allendorf geblieben waren. Aus dieser Sammlung konnte der Erinnerungsort Topf & Söhne für die Sonderausstellung Unersetzbar mehrere Stücke zeigen, darunter einen aus einer Wolldecke zusammengenähten Rock – das erste eigene Kleidungsstück der damals 20-jährigen Éva Pusztai nach der Befreiung.

Das Team des Erinnerungsortes und der Förderkreis Erinnerungsort Topf & Söhne e.V. gratulieren Éva Pusztai herzlich zu dieser hohen Ehrung. Wir wünschen noch viele kraftvolle Jahre für sie und ihre Botschaft der Menschlichkeit.